Mein Traum erfüllt sich: Ich reise nach Nuquí. Fünf Buchstaben, die mir immer wieder im Kopf herum spukten. Es hieß, Nuquí sei paradiesisch schön – einfach traumhaft und einmalig. Besonders zur Zeit der Wal-Saison. Aber auch sonst: Ein Besuch in Kolumbiens Paradies lohne sich immer. Wenn ich in Kolumbien bin, solle ich diesmal unbedingt hin! Es ist der Morgen, an dem ich endlich dorthin fliegen sollte. Ich sitze am Gate. Warte gespannt darauf, dass wir endlich in die kleine Propellermaschine steigen können. Doch dann macht eine Frauenstimme aus dem Lautsprecher alles zunichte: „Estimados pasajeros, su vuelo esta cancelado.“ Mir steigen Tränen in die Augen und ich muss erst einmal tief durchatmen.
[Hinweis: Dieser Beitrag enthält unbezahlte Werbung, Empfehlungen von Herzen sowie Affiliate-Links*. Bestellst Du über die mit einem Sternchen (*) markierten Links, erhalte ich eine kleine Provision für meine Empfehlung. Für Dich entstehen keinerlei Mehrkosten. Selbst organisierte und finanzierte Reise.]
Anreise mit Hindernissen
Seit den frühen Morgenstunden sitze ich am Flughafen Enrique Olaya Herrera in Medellín. Immer wieder wird unser Flug verschoben. Mittlerweile ist es Nachmittag. Das Flughafenpersonal rückt auch nicht so richtig mit der Sprache raus. Dann die Durchsage: „Verehrte Passagiere, Ihr Flug wurde gecancelt.“
In mir bricht eine kleine Welt zusammen. Denn auf diese Reise habe ich mich so lange gefreut. Doch der Kapitän wird die Verantwortung nicht übernehmen, die kleine Propellermaschine bei diesen turbulenten Wetterbedingungen über die Cordillera Occidental zu steuern. Der Flughafen in Nuquí sei mittlerweile aufgrund des starken Regenfalls ebenfalls gesperrt. Wir erhalten ein neues Ticket und sollen morgen früh wieder zur gleichen Uhrzeit hier sein.
Als wir aus dem Flughafengebäude treten und zum Taxi gehen, schüttet es bereits in Strömen. Während der Himmel zuvor leicht bewölkt war, ist er nun mit bedrohlichen Regenwolken verhangen. Enttäuscht und müde steigen mein Freund und ich in ein Taxi, das uns zu einem 5-Sterne-Hotel fährt.
Zuvor haben wir ein unglaublich günstiges Last-Minute-Angebot gefunden. Nach dem Check-in sind wir allerdings ziemlich ernüchtert. Ausländische Besucher sind theoretisch von der Mehrwertsteuer befreit. Auf den Preis, den wir online gebucht haben, wird uns die lokale Hotelsteuer drauf geschlagen. Ein kurzes Fragezeichen, doch ich bin zu müde, habe keine Kraft mein Vokabular zu sammeln und zum wiederholten Male auf dieser Reise darauf aufmerksam zu machen.
Was folgt, ist eine Nacht in einem in die Jahre gekommenen und völlig überteuerten Hotel. Wehmütig blicke ich abends auf das Lichtermeer von Medellín und die Wölkchen, die über die Bergkette ziehen. Morgen Abend um diese Zeit blicke ich auf den Pazifik – ganz bestimmt.
Kein Weg führt nach Nuquí
Zumindest nicht auf dem Landweg. Das ist auch der Grund, warum El Chocó (das Departement von Panama bis Buenaventura) noch zu den intakteren Regionen des Landes zählt. Die kleinen Städte an der Pazifikküste sind nur auf dem Luftweg in einer Propellermaschine, in einem Boot auf dem Flussweg oder per Frachtschiff ab Buenaventura erreichbar. Denn von den Bergen bis zum Meer beherrschen dichter Dschungel und mäandrierende Flüsse die Landschaft.
Entlegenere Gebiete im Chocó werden teilweise immer noch von paramilitärischen Gruppen und Guerilleros kontrolliert. Doch die Sicherheitslage hat sich erheblich verbessert. Dennoch hat El Chocó auch unter Kolumbianern noch immer einen bitteren Beigeschmack. Mich soll es nicht stören. In mir steigt die Hoffnung, dass ein solches Paradies wie Nuquí noch etwas an seiner Ursprünglichkeit bewahren kann.
Grauer Himmel und tosende Wellen
Es ist mittlerweile Abend geworden in „meinem“ Paradies. Und es ist noch viel schöner als ich es mir vorgestellt habe.
Nach der Ankunft am winzig kleinen Flughafen von Nuquí, werden wir von Nana empfangen. Sie arbeitet als Guide und Tauchlehrerin für die Eco Lodge El Cantil und empfängt uns und zwei weitere Gäste.
Es ist warm und die Luftfeuchtigkeit hoch. Der Himmel ist bewölkt, eine Wohltat wie uns Nana berichtet. Wenn die Sonne erst einmal scheint, dann brennt sie gnadenlos und jede Aktivität wird zur Anstrengung.
Vor dem Flughafengebäude steht eine Kokosnuss-Verkäuferin. Sie ist barfuß unterwegs, Afro-Kolumbianerin, und schwingt die Machete leichthändig.
Der Bootsanleger ist nur einige hundert Meter vom Flughafen entfernt. Wir gehen zu Fuß dorthin. Unser Gepäck wird verladen, wir steigen ein und fahren durch das Flusssystem der Kleinstadt Nuquí vorbei an einem Militärposten hinaus auf den Pazifischen Ozean.
Nach einer abenteuerlichen Bootsfahrt mit starkem Wellengang und Regen erreichen wir doch noch unser Ziel. Endlich angekommen!
Unser Zuhause für die nächsten Tage ist die Eco Lodge El Cantil. Sie wurde von National Geographic zu einem der besten Unterkünfte in Südamerika gekürt.
Doch es ist nicht nur die einmalige Lage zwischen pazifischem Ozean und dichtem Dschungel.
Die Unterkünfte sind einfach und ohne viel Schnickschnack. Beleuchtet wird mit Öllampen. Lediglich das Restaurant auf Stelzen mit Rundumblick hat Elektrizität, die von einem Wassergenerator betrieben wird.
Das Management führt die Lodge nach ökologischen Richtlinien und lebt, im Gegensatz zu einigen anderen Hotels, eine nachhaltige Firmenphilosophie. Dazu zählt nicht nur ein schonender Umgang mit den Ressourcen.
El Cantil setzt sich auch für die ökonomische und soziale Verbesserung der umliegenden Gemeinden ein.
Wasserfälle und Spaziergänge am Strand
Die Tage vergehen wie im Flug. Zu Fuß spazieren wir an dunkel-grauen Stränden entlang, wandern durch dichten Regenwald, durchqueren eiskalte Flüsse und baden in von Wasserfällen geformten natürlichen Swimmingpools. Von einem wird behauptet, er sei eine „cascada del amor“, also der Wasserfall der Liebe. Wer hier mit seinem Partner badet, wird für immer zusammen bleiben.
Die Wege im Paradies sind rutschig und schmal. Die Orientierung habe ich schnell verloren. Das Gefühl mich im Dschungel verirren zu können, schutzlos zu sein inmitten einer mir fremden Vegetation, stimmt mich demütig.
Zugleich empfinde ich tiefe Dankbarkeit.
Dankbarkeit dafür, einmal in meinem Leben an einem solch magischen Ort gewesen zu sein und zu wissen, dass es Orte auf der Welt gibt, die ohne viel Inszenierung und Entertainment auskommen. Sie dürfen einfach sein, wie sie sind und werden dafür geschätzt.
Das Essen schmeckt aromatischer: Kokosnuss, Ananas, Papaya, Bananen und erst der Fisch. Unsere Köchin Placeres ist eine Magierin und zaubert unglaublich intensive Mahlzeiten.
Unser Guide El Negro führt uns in das Dorf Termales. Auf dem Weg dorthin zeigt er uns Flusskrebse, erklärt uns die Vegetation und erzählt etwas aus seinem Leben.
Die Arbeit als Guide sei mit einer 7-Tage-Woche zwar anstrengend, doch um einiges reizvoller als die Jobs in der Fischerei oder auf einem der Frachtschiffe. Ich frage ihn, ob er schon mal in Medellín gewesen sei: „Nein, warum?“. Er sei zwar einmal mit dem Schiff nach Buenaventura gefahren, um dort im Hafen Arbeit zu finden, doch schnell wieder zurück gekehrt. Fliegen kann er sich auch nicht vorstellen. Er hat hier alles, was er brauche.
Hier einige Eindrücke aus dem Dörfchen Termales mit der wunderschönen Spa-Anlage:
Im Paradies wird Domino gespielt
Nach dem gemeinsamen Abendessen fragt Negro uns, ob wir Domino spielen. „Nein, bei uns Zuhause wird es eher von Älteren gespielt und ist doch eher langweilig.“ Negro setzt ein breites Grinsen auf und fängt an die Dominosteine auf dem Tisch herumzuwirbeln. „Dann zeig‘ ich euch mal, wie wir das hier spielen.“
Ehrgeizig wie ich bin, duellieren wir uns schnell. Damit hat Negro nicht gerechnet. Und auch ich bin überrascht. Domino spielen im Paradies – das kam in meiner Vorstellung so nicht vor.
Bis heute kenne ich Negros richtigen Namen nicht. Genauso wenig wie seine Arbeitskollegen. Er sei einfach El Negro – der Schwarze. So habe ihn schon seine Mutter genannt und irgendwann dann auch alle in seinem Dorf. Ganz einfach!
Die Tage neigen sich schnell dem Ende zu. Alles, was mir am Tag als Orientierung diente, wird in der Nacht von der Dunkelheit verschluckt. Aus dem nahen Regenwald dringt es geräuschvoll zu mir. Das Zirpen, Grollen, Knacken und Zwitschern mischt sich mit der tosenden Brandung.
Am Tag unserer Abreise strahlt die Sonne und das Meer hat sich zurück gezogen. In der Ferne glitzert es azurblau und schlägt sanfte Wellen. Genauso sieht das Paradies aus, würde man es auf eine Postkarte drucken. Für mich sieht das Paradies anders aus. Und dort spielt man Domino.
Ihr wollt nach Nuquí?
Hinkommen
Ich buchte ein All-Inklusive-Paket direkt bei der Eco Lodge El Cantil. Mir gab es die Sicherheit, dass ein Charter mich auf jeden Fall nach Nuquí bringen wird und mein Platz gesichert war. Bei einem flexibleren Zeitplan, könnt ihr auch bei Satena oder ADA Flüge buchen, die entweder ab Medellín oder Quibdó fliegen. Aber Achtung: Die Flieger starten nur, wenn es auch die Wetterbedingungen erlauben. Hier gilt: „Safety first“. Sollte das nicht der Fall sein, würde ich an eurer Stelle eher nicht in den Flieger steigen.
Wenn ihr ein Abenteuer sucht, könnt ihr euch auch auf ein Frachtschiff wagen. Ab Buenaventura gibt es Schiffe, die Nuquí und Bahía Solano ansteuern. Buenaventura soll ein nicht ganz ungefährliches Pflaster sein. Ist sicherlich auch typabhängig und ihr euch vorstellen könnt, 16 Stunden auf einem eher unkomfortablem Schiff unterwegs zu sein. Einige Informationen zu dieser Möglichkeit stehen im Lonely Planet Kolumbien.
Nuquí selbst ist eine Kleinstadt mit etwa 8.000 Einwohnern und wenig Charme, dafür aber mit herzlichen Bewohnern und einem guten Standpunkt für Ausflüge in den Parque Nacional Natural (PNN) Ensenada de Utrá, Bahía Solano sowie Termales und den Strand Gauchalito. Die Weiterreise ab Nuquí erfolgt entweder mit dem Tuk-Tuk, häufiger jedoch mit dem Motorboot.
Unterkunft
Für mich stand seit vielen Jahren fest: Wenn ich nach Nuquí reise, dann kommt für mich nur die Eco Lodge El Cantil in Frage. Mittlerweile gibt es an der Küste auf dem Weg nach Termales mehrere Unterkünfte, auch Hostels. Die Anlagen sind hübsch aufbereitet, verfügen über Hängematten oder einfache Hütten. Jedoch zeigt sich bei einigen, wie mit dem Thema Müll insbesondere Plastikmüll umgegangen wird. Ja, ich wollte unbedingt ins Paradies. Allerdings nicht um jeden Preis. Mit der Philosophie der Öko-Lodge konnte ich mich identifizieren und ein Management unterstützen, das die kostbaren Ressourcen schützt und sich aktiv in den Gemeinden engagiert. In jeder Hütte gibt es ein ausführliches Booklet, das Gäste über die Philosophie der Lodge informiert.
Aktivitäten
- Seele in der Hängematte baumeln lassen und den Blick aufs Meer genießen.
- Besuch der Thermalquellen in Termales. Der Eintritt kostet 12.000 COP (Stand: 2016). Ihr müsst Bargeld mitnehmen und am besten passend. Wie fasst überall in Kolumbien, werden selbst bei 20.000 COP schon mal die Augen verdreht und es heißt, man habe kein Wechselgeld: „No tengo cambio.“ Eine Extra-Portion Verwöhnung gibt es ebenfalls. Die Damen bieten Aromatherapien, Schokoladenmassagen und Gesichtsbehandlungen an.
- Wanderungen zu Wasserfällen, Surfen, Stand Up Paddling, Tauchen, Kanu fahren – in Nuquí ist man entweder aktiv oder lässt sich vom lässigen Flair anstecken.
- Walbeobachtungen! Aber nur von etwa Juli bis Anfang November. Dann ziehen die Buckelwale wieder in ihre Heimat, die antarktischen Gefilde zurück.
Lust auf mehr Reisetipps für Kolumbien?
Lies jetzt:
Keine Kommentare